Verkehrssicherheit fuer Fussgaenger
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Sicher gehen - Forderungen des FUSS e. V. zur Verkehrssicherheit
Anlass für die folgenden Vorschläge war die verspätete Halbzeitbilanz des ministeriellen Verkehrssicherheitsprogramms (VSP) 2011-2020. FUSS e.V. sollte Vorschläge unterbreiten, welche Maßnahmen und Tätigkeitsfelder neu in das Programm aufgenommen werden sollen. Aus diesen Überlegungen entstand der Entwurf eines FUSS-eigenen Sicherheitsprogramms. Wir bitten Sie um Stellungnahmen, Widersprüche und Ergänzungen, damit wir mit unserem Programm sichergehen.
Bislang hatte das VSP des Verkehrsministeriums seine Schwerpunkte auf Autobahnen und außerorts Landstraßen gehabt. Erkenntnisstand des Ministeriums bei der Halbzeitbilanz ist: „Erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit bedeutet, auf allen Aktivitätsebenen die verfügbaren Ressourcen möglichst effizient dort einzusetzen, wo die größte Wirksamkeit erwartet wird.“(1) Und so kam man zu dem Schwerpunkt Innerortsstraßen: „Aktivitätsschwerpunkte sind Maßnahmen insbesondere zum Schutz der Fußgänger und Radfahrer.“
Sicherheit für den Fußverkehr hat drei Stellschrauben: das Individuum, das Fahrzeug und die Infrastruktur. Doch sogar die Unfallstatistik kann zur Sicherheit beitragen.
Die Infrastruktur
Zur Verkehrsinfrastruktur gehören Straßen, Wege und Plätze, aber auch Verkehrsregeln und Maßnahmen zur Verkehrssicherheit. Eine solche Maßnahme ist es, die Geschwindigkeit zu reduzieren, denn wo langsamer gefahren wird, sind Unfälle seltener und weniger schwer. Wir fordern
- Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts, nicht nur im Umfeld sensibler Einrichtungen wie Kitas, Schulen oder Krankenhäuser, sondern überall dort, wo es aufgrund der Nutzungen, z.B. Hauptschulweg oder wichtige ÖPNV-Haltestelle angezeigt erscheint. Ziel ist eine Verbesserung der subjektiven Sicherheit von zu Fuß Gehenden, z.B. dort, wo schmale Gehwege direkt an die Fahrbahn angrenzen und nicht erst auf der Basis von Unfallzahlen
- für zu schnelles Fahren ein höheres Bußgeld und Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg bei jeder Überschreitung, rascheren und längeren Führerschein-Entzug sowie in gravierenden Fällen weitere Strafen, zum Beispiel Beschlagnahme des Fahrzeugs
- Ausweitung des Vorsichts-Gebots für Fahrende in § 3 Abs. 2 a StVO auf alle Gehenden (nicht nur „gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen“). Bei Verstößen strengere Strafen.
Das Überqueren der Fahrbahn ist unfallträchtig. Sehen und gesehen werden sind Voraussetzung für sicheres Queren. Wir fordern
- Querungshilfen an Hauptverkehrs- und Sammelstraßen an Kreuzungen und Einmündungen, im Bereich von Haltestellen, ggfs. an beiden Enden sowie in kurzen Abständen (ca. 100 – 150 Meter) oder linienhaft an Straßen mit Zielen (Einkauf, Institutionen, Freizeit etc.) auf beiden Straßenseiten
- Einführung der Verkehrsregelung „Begegnungszone“ mit Höchsttempo 20 mit Vorrang für den Fußverkehr und Parkverbot, um das gemeinsame Miteinander auf Plätzen und in Geschäftsstraßen und ohne Umbau auch in Straßen ohne regelkonformen Gehweg zu verbessern (wie in der Schweiz, Österreich, Belgien, Luxemburg und Frankreich)
- Verpflichtung zur Freihaltung von Sichtfeldern an allen Querungsstellen für die das legale Parken im Straßenraum verkehrsrechtlich (zehn Meter vor Kreuzungen, damit Rechtsabbieger den straßenbegleitenden Fuß- und Radverkehr besser sehen können) und/oder planerisch durch Gehwegvorziehungen eingeschränkt und illegales Halten und Parken strenger bestraft wird als bisher (s.S. 28). Dies ist bei der Zunahme von großen Sichthindernissen wie SUVs und Lieferfahrzeugen nötig geworden
- keine Neuanlage von freien Rechtsabbiegespuren (und damit entstehende Dreiecksinseln), die das Abbiegen beschleunigen und den Fußgänger*innen eine zusätzliche Querungsstelle bescheren. Der Bestand muss verpflichtend mit Lichtsignalanlage oder Zebrastreifen ausgestattet oder zurückgebaut werden
- an kleinen Kreisverkehrsplätzen sind grundsätzlich in allen Zu- und Ausfahrten Fußgängerüberwege (FGÜ, Zebrastreifen) anzulegen, um für alle Verkehrsteilnehmenden eine einheitliche und klare Information der Querungssituation sicherzustellen
- Keinen Grünpfeil für Rechtsabbieger an Knotenpunkten mit Fuß- und Radverkehr, sofortigen Abbau rechtswidrig angeordneter Grünpfeile (VwV zu § 37 StVO) und die Anpassung der Einsatzbedingungen für die Grünpfeiltafel an die dokumentierten wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisse.
Gehwege sind der einzige Schutzraum für den Fußverkehr. Andere Verkehrsteilnehmer*innen sollten sie nur ausnahmsweise benutzen dürfen. Wir fordern:
- Straßenbegleitende gemeinsame Geh- und Radwege innerorts nur dort anordnen, wo es unumgänglich ist, wenn möglich aufheben um Konflikte zu mindern
- Herstellen von Bordsteinradwege nur dort, wo in Wohngebieten ein mindestens 2,50 Meter breiter Gehweg bleibt, bei intensiven Randnutzungen muss entsprechend der Richtlinien ein breiterer Gehweg verbleiben.
- Gewährleistung fahrradfreundlicher Fahrbahnen durch Tempo 30, Fahrradstraßen oder Radverkehrsmarkierungen (Radfahrstreifen, Schutzstreifen mit mindestens 1,50 m oder Piktogrammspuren, jeweils mit 1 m Sicherheitstrennstreifen zum ruhenden Kfz-Verkehr)
- Ahnden von Gehwegparken und -fahren für Kfz, Fahrräder oder Kleinstelektrofahrzeuge.
Für Verkehrssicherheit zu sorgen ist eine Daueraufgabe. Sie erfordert Regeln, zusätzliche Mittel und qualifiziertes Personal. Wir fordern:
- Die Straßenverkehrsbehörde muss nachweisen, dass sie die Verkehrsinfrastruktur wie vorgeschrieben regelmäßig prüft.
- An Haupt(-verkehrs)straßen, nach Verkehrsunfällen, an denen Fußgänger*innen und/ oder Radfahrer*innen beteiligt sind wie auch an konfliktträchtigen Bereichen, müssen vorrangig Bestandsaudits durchgeführt werden. Diese Audits sind systematische Beurteilungen der Infrastruktur anhand von Check-Listen. Sie sollten möglichst durch externe Fachleute durchgeführt werden.
- Mitarbeiter*innen der Straßenverkehrsbehörde müssen für ihre Aufgaben nicht nur geschult, sondern ausgebildet werden und sind ihrer Verantwortung entsprechend zu bezahlen.
- Verkehrs- und Straßenplaner*innen wie auch Mitarbeiter*innen der Straßenverkehrsbehörden müssen sich wie Mitglieder der Kammern regelmäßig fortbilden.
Das Individuum
Damit Menschen sich im Straßenverkehr angemessen verhalten, müssen sie die Verkehrsregeln kennen und akzeptieren. Die Regeln müssen umsetzbar sein und besonders verletzliche Verkehrsteilnehmer*innen besonders schützen. In der Straßenverkehrsordnung und in Medien sollten deshalb Regelungen im Klartext dargestellt werden:
- Vorrang für den Fußverkehr an Zebrastreifen und in verkehrsberuhigten Bereichen
- Verbot des Parkens auf Gehwegen, an Kreuzungen, Einmündungen und Querungsstellen
- Vorrang für den Fußverkehr in den neu einzurichtenden Begegnungszonen
- Vorrang für den Fußverkehr gegenüber abbiegenden Fahrzeugen rechtlich verbessern, textlich klarstellen und durchsetzen
Weitere nötige rechtliche Änderungen:
- Ausreichend Zeit für Fußgänger*innen, nach dem Umschalten auf Rot die andere Straßenseite zu erreichen. Hierbei ist im Zuge von wichtigen Schul- oder Spazierwegen die Gehgeschwindigkeit von Kindern oder Senioren zugrunde zu legen
- Verkehrsregeln ändern sich. Um die Regelkompetenzen der Führerscheininhabenden zu prüfen, sollten alle unter 26-Jährige den Führerschein nur zur Probe erhalten mit einer anschließenden theoretischen und praktischen Prüfung zur Auffrischung des Führerscheins alle fünf Jahre
- Durch eine geeignete Anpassung des Bußgeldkatalogs, z.B. wie in der Schweiz, mit strengen Strafen bei zu schnellem Fahren, sollen Geschwindigkeitsüberschreitungen reduziert werden.
Die Fahrzeuge
Je größer und schneller ein Fahrzeug ist, desto gefährlicher kann es ungeschützten Verkehrsteilnehmer*innen werden. Wir fordern:
- Gesetzliche Standards zur fußgängerfreundlichen Ausstattung von Kraftfahrzeugen, z. B. Außenairbag und eine geeignete Geometrie der Fahrzeugfront, wofür es seit Jahrzehnten Vorschläge gibt
- SUV sind als Fahrzeuge für Off-Road konzipiert, mit ihrer Breite benötigen sie innerorts überproportional viel Platz. Daher sind zum einen deutlich höhere Steuern auf SUVs zu erheben, zum anderen ist für die Innenstädte und auf engen Straße eine Durchfahrtsperre für Fahrzeuge einer bestimmten Breite (> 2 m incl. Außenspiegel) mit entsprechendem Bußgeld zu erlassen.
- Für alle Motorfahrzeuge mit Elektroantrieb (Hybrid und reine E-Autos) das verpflichtende, nicht ausschaltbare Warngeräuschsystem (AVAS) auch für Bestandsfahrzeuge
- Für alle Lkw und Busse ab sofort die Einführung verpflichtender elektronische Abbiegeassistenten für Neufahrzeuge sowie die verpflichtende Nachrüstung für Bestandsfahrzeuge
- Die EU-weit ab 2022 für Neuwagen vorgeschriebenen automatische Tempobegrenzung darf zumindest innerorts nicht ausgeschaltet werden können.
Die Unfallstatistik
Paragraf 1 des Straßenverkehrsunfallstatistikgesetzes lautet: „Über Unfälle, bei denen infolge des Fahrverkehrs auf öffentlichen Wegen und Plätzen Personen getötet oder verletzt oder Sachschäden verursacht worden sind, wird laufend eine Bundesstatistik geführt. Sie dient dazu, eine aktuelle, umfassende und zuverlässige Datenbasis über Struktur und Entwicklung der Straßenverkehrsunfälle zu erstellen.“
Die Unfallstatistik soll künftig auch Alleinunfälle von Fußgänger*innen enthalten, damit ins öffentliche Bewusstsein rückt, dass man sich um Sicherheit für den Fußverkehr ernsthafter bemühen muss als bisher.
Hinweis
(1) BMVI: Halbzeitbilanz des Verkehrssicherheitsprogramms 2011-2020